Der Gang durch die Hallen auf der diesjährigen „productronica“ in München brachte stimmigen Gleichklang bei Ausstellern und Messegästen gleichermaßen: die Auftragsbücher sind gut gefüllt, bei Hard- und Software herrscht zudem wieder höchster Qualitätsstandard vor. Doch eines senkte sich wie Blei auf die Gespräche der Messebesucher an der Isar: „Industrie 4.0“ kommt nicht so recht vom Fleck. Das brachte Matthias Holsten, etablierter OEM- und E²MS-Berater dazu, ein persönliches Plazet zu diesem Thema abzugeben.
„Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube…“
So oder ähnlich ließe sich, nach Holstens Meinung, der Status in der EMS-Branche zum Thema „Industrie 4.0“ zusammenfassen. Mit dieser Zauberformel, die in nahezu allen industriegeprägten Zweigen im Bemühen um künftige Wettbewerbsfähigkeit durchdacht wird, tut man sich auch in der EMS-Branche noch sehr schwer, die Umsetzung mit konkretem Handeln anzugehen.
„Es wird abgewartet. Jeder fragt sich: Wer wagt hier in welchem Bereich den ersten Schritt? So schätze ich die Situation derzeit ein“, sagt Matthias Holsten, Geschäftsführer seiner e² consulting GmbH, „die EMS-Dienstleister stehen gewaltig unter dem Handlungszwang, die Prozesskette ständig auf höchste Effizienz trimmen zu müssen. Natürlich ist das ein sehr komplexes Thema. Dennoch glaube ich, dass seit Übergabe des Abschlussberichtes des Arbeitskreises Industrie 4.0 an die Bundesregierung mit konkreten Handlungsempfehlungen nach immerhin drei Jahren nunmehr erste Schritte folgen sollten“. Dass dies nicht unrealistisch sei, macht Holsten an einem Beispiel klar: Viele EMS-Auftragsfertiger sehen sich vor der Aufgabe, die schier endlos unterschiedlichen Datensätze ihrer Kunden zur Fertigung jeweils auftragsbezogen einlesen und dem eigenen Gerätepark anpassen zu müssen. „Es gibt kein einheitliches Datenformat zur zügigen Anpassung. Der stets wiederkehrende, individuelle Programmieraufwand ist für die EMSler eine Belastung an Zeit und Personal. Er verringert die Marge und schwächt somit empfindlich die herbeigesehnte Wettbewerbsfähigkeit. Hier sind aus meiner Sicht die Maschinenhersteller gefragt. Für mich gibt es keinen ersichtlichen Grund, die Entwicklung einheitlicher Standards noch weiter hinauszuzögern. Ein derartiges Zugbrücken-Denken stellt meines Erachtens für den einzelnen Hersteller in dem Punkt faktisch keinen Wettbewerbsvorteil dar. Auch wenn dadurch eine für den Maschinenkäufer vorteilhafte Situation den Geräteherstellern unmittelbar keinen herausragenden Geldsegen in die Kasse spült, ist Weitsicht gefragt.